Ein Gespenst geht um: Säkularisierung. Egon Spiegel referiert an der Kardinal Stephan Wyszynski Universität in Warschau

„Metamorphosen von Religion und Spiritualität“, so lautete das Thema der internationalen wissenschaftlichen Konferenz, zu der der Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Theologie, Prof. Dr. Prof. h.c. Egon Spiegel, vom Institut für Katholische Theologie der Universität Vechta an die Kardinal Stephan Wyszynski Universität nach Warschau eingeladen war. Ver-anstaltet wurde die von renommierten Religionssoziologen/innen besuchte Konferenz vom Soziologischen Institut der katholischen Universität in Verbindung mit der religionssoziologi-schen Sektion der polnischen soziologischen Vereinigung.
In seinem Vortrag „Schreckgespenst Säkularisierung. Wider die Gleichsetzung von kirchlicher Indifferenz mit religiöser Indifferenz“ (Specter of secularization. Against the identification of ecclesiastical indifference and religious indifference) versuchte sich Spiegel an einer positiven Interpretation des Säkularisierungsphänomens, fokussiert in der folgenden These: Ungeachtet düsterer Zustände und Entwicklungen in der Welt schreitet dieselbe – unter humanitären Aspekten – im Sinne eines Zuwachses an Menschlichkeit fort. Auch dort, wo wir Profanisierungs- bzw. Säkularisierungsprozesse feststellen. Eine zunehmende, durch massen-hafte Kirchenaustritte zum Ausdruck kommende kirchliche Indifferenz darf dabei nicht mit einer religiösen gleichgesetzt werden. Aus einem sozio- bzw. beziehungstheologischen Blickwinkel darf sogar vermutet werden, dass Religiosität faktisch – unsichtbar-sichtbar – zunimmt. Versuche, Säkularisierungsprozesse inhaltlich zu bestimmen, legen die Frage nahe, ob sie nicht – in analytisch nüchterner Betrachtung und apokalyptisch-gläubiger Perspektive – nicht nur nicht Abwege beschreiben, sondern sogar Wege in eine „Stadt ohne Tempel“ (Apk 21,22-24) markieren. Zumindest fordern sie innerkirchlich zu selbstkritischen Reflexionen heraus und lassen kreative Handlungsoptionen erwarten. Sofern die christlichen Kirchen sich diesen Herausforderungen stellen, können sie ihrer gesellschaftlichen Aufgabe im Sinne einer „zweiten Naivität“ (P. Ricoeur) neu nachkommen.  

 

 

Die Veranstalter der Konferenz (v.l.) Prof. Dr. Artur Wysocki, Prof. Dr. Andrzej Wójtowicz
Spiegel bei seinem Vortrag über globale Säkularisierungsprozesse, links Prof. Dr. Agnieszka Zudinak (mit Mikrophon)