Prof. Dr. Cheng Liu und Prof. Dr. Prof. h.c. Egon Spiegel (Foto: P. Kaiser)

Friedensforscher setzen auf kulturübergreifende Gemeinsamkeiten

Inhaber des chinesischen UNESCO-Lehrstuhls für Friedensforschung an der Universität Vechta


Das Fremde im Anderen würdigen, das ist auch nach Meinung des chinesischen Friedensforschers Prof. Dr. Cheng Liu und seines deutschen Kollegen, des Vechtaer Professors Egon Spiegel, wichtig. In erster Linie, so sind beide jedoch überzeugt, ist für das Zusammenleben und das Lösen von Konflikten die Suche nach Gemeinsamkeiten entscheidend. Das gilt besonders für kulturelle, religiöse und nationale Spannungsfelder. So haben etwa Schülerinnen und Schüler, ungeachtet verschiedener kultureller Hintergründe, wesentlich mehr „Gemeinsamkeiten“ als „Besonderheiten“. Bewusst sprechen die Friedensforscher von „Besonderheiten“ anstelle von „Unterschieden“.
In einer Ringvorlesung der Universität Vechta erläutern die Wissenschaftler, warum sie das herkömmliche Kulturverständnis, das sich stark an Sprache, Tradition und Nation orientiert, durch ein durch gemeinsame Lebenswelten definiertes ersetzen. Anstelle der engen Vorstellung von einer deutschen, polnischen oder chinesischen Kultur bevorzugen sie die Vorstellung einer globalen Lebenswelt von beispielsweise der der Reichen auf der einen Seite und der von Armen auf der anderen Seite, von Männern einerseits und Frauen andererseits, von Musikern, Landwirten,  Studierenden oder Golfspielern und ein dadurch bestimmtes „horizontales“ Kulturverständnis. Ihrem Verständnis nach verbinden etwa Städter – über alle Ländergrenzen hinweg – mehr Gemeinsamkeiten als Städter und Dörfler im selben Land. Gegen das Konstrukt nationenspezifischer Unterschiede und die Gefahr einer daran anknüpfenden Argumentation für Krieg setzen sie auf nationenübergreifende bzw. nationenverbindende Gemeinsamkeiten.
Professor Cheng Liu lehrt an der chinesischen Nanjing University Weltgeschichte mit Schwerpunkt Britischer Geschichte. Er ist dort Direktor des Instituts für Friedenswissenschaft und Inhaber der UNESCO Lehrstuhls für Friedensforschung. Mit ihm kooperiert der Theologe und Politologe Spiegel seit nahezu 10 Jahren, unter anderem als Advisory Professor am UNESCO-Lehrstuhl.